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Klimawandel: In Zukunft ohne Kaffee?

20. November 2023

Es wird weniger geeignete Anbauflächen geben, geringere Erträge und mehr Krankheiten. Der Anbau von Kaffee wird durch den Klimawandel schwieriger. Müssen wir in Zukunft auf Kaffee verzichten?

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Ernte auf einer Kaffeeplantage in Brasilien
Der Klimawandel könnte weitreichende Folgen für den Kaffeeanbau habenBild: Mauro Pimentel/AFP/Getty Images

Er tröstet über das frühe Aufstehen hinweg, bringt den Kreislauf in Schwung und schafft einen sanften Übergang von der nächtlichen Ruhe ins Wachsein - kurzum: Ohne Kaffee ist für viele Menschen der Start in den Tag kaum denkbar. Künftig könnte es allerdings sein, dass dieser Muntermacher seinen Fans teurer zu stehen kommt.

Das liegt daran, dass die Kaffeepflanze mindestens so sensibel ist wie viele Kaffeetrinkende. "Sie mag es einfach nicht zu heiß, nicht zu trocken und nicht zu nass. Sie braucht ganz bestimmte Schattenverhältnisse und einen nährstoffreichen Boden", erklärt von Sophie von Loeben vom Potsdam Institut für Klimawandelforschung (PiK). Solche Bedingungen gab es bisher vor allem in Ländern rund um den Äquator, dem sogenannten Kaffeegürtel. Inzwischen zeigen sich aber auch dort immer deutlicher die Folgen des Klimawandels.

Bisherige Anbauflächen in Gefahr

In vielen tropischen Ländern sei das Wetter nicht mehr so stabil wie bisher, sagt Friedel Hütz-Adams vom Südwind-Institut. Früher habe es eine Regenzeit und eine Zeit mit weniger Regen gegeben - außerdem relativ konstante Temperaturen vor allem in Höhenlagen, wo viel Kaffee angebaut wird. "Jetzt gibt es plötzlich Starkregen, Monate ohne Regen und Hitzeperioden. Das vertragen Kaffeepflanzen nicht."

Schon in den vergangenen Jahrzehnten gab es immer häufiger ungünstige Klimabedingungen, die die Erträge verringert haben, wie eine Studie der australischen Forschungsorganisation CSIRO gezeigt hat. Außerdem gibt es Studien, die vorhersagen, dass bis 2050 die momentan für den Kaffeeanbau geeignete Fläche um mehr als die Hälfte schrumpfen wird. Darunter werden viele Kaffeebäuerinnen und Bauern vor allem in Brasilien und Vietnam leiden. Diese beiden Länder sind zur Zeit die größten Produzenten weltweit.

Unter Umständen komme es in Zukunft zu Wanderungsbewegungen innerhalb der Kaffeeländer, meint Hütz-Adams. Viel Spielraum gebe es aber nicht, da Land in der Regel immer jemandem gehört. "Ich kann als Kaffeebauer auf einer Höhenlage von 1500 Meter in Tansania nicht sagen, ich gehe jetzt ein Stück den Berg hoch, um da in Zukunft Kaffee anzubauen. Denn auf der Fläche baut unter Umständen schon jemand anderes Tee oder Produkte für einen heimischen Markt an."

Neue Flächen durch Klimaveränderungen?

Wenn es überall wärmer wird, könnten sich in Zukunft eventuell neue Flächen für den Kaffeeanbau eignen, die bislang zu kühl dafür waren, auch das zeigen Studien. Aber hier gibt es ebenfalls ein "aber". Viele dieser Flächen sind bewaldet. "Wenn ich da abholze, um Kaffee anzubauen, verschärfe ich den Klimawandel, weil ich mehr CO2 freisetze", gibt Hütz-Adams zu bedenken.

Zudem dürfen Produkte, die auf Flächen angebaut wurden, die nach 2020 entwaldet wurden, nicht in die EU importiert werden. So bestimmt es ein EU-Gesetz. Die EU wiederum ist eine der wichtigsten Importregionen für Kaffee.

"Kaffee, obwohl es eine der wertvollsten Nutzpflanzen der Welt ist, ist auch eine der unerforschtesten," sagt von Loeben. Bislang wird der Weltmarkt von zwei Kaffeesorten dominiert: Arabica und Robusta. Es gebe aber in der Natur rund 130 bekannte wilde Kaffeearten, von denen einige beispielsweise resistenter gegen Hitze oder bestimmte Schädlinge seien und daher entweder direkt angebaut werden könnten oder für die Züchtung von Hybriden genutzt werden.

Kaffeebohnen in Kenia
Es gibt wilde Kaffeearten, die weniger anfällig auf klimatische Stressfaktoren wie Trockenheit, Schädlinge und Krankheiten reagierenBild: Ute Grabowsky/photothek/picture alliance

Einfach andere Kaffeearten zu pflanzen ist jedoch keine einfache und schnelle Lösung. Zum einen müssen neue Züchtungen erst einmal entwickelt werden, das dauert. Dann müssen Milliarden Setzlinge an die Farmen geliefert werden. Und es dauert zudem drei Jahre, bis eine Kaffeepflanze das erste Mal geerntet werden kann.

Armut behindert Klimaanpassung

Neupflanzungen seien zwar theoretisch schön, meint daher Hütz-Adams. "In der Forschung wird diese Zwischenphase, in der die Farmer gar kein Einkommen haben, hinter vorgehaltener Hand Valley of Death genannt." Kaffeebäuerinnen und -bauern, die häufig sowieso schon am Existenzminimum leben, können es sich nicht leisten, drei Jahre auf Einkommen zu verzichten. 

Auch wenn die Betroffenen ihre Anbaumethoden beispielsweise auf Agroforstsysteme umstellen, bei denen Kaffeepflanzen nicht mehr als Monokultur angebaut werden, müssen sie zuerst investieren und auf Einkommen verzichten. Zwar würde der Ertrag aus nicht-Kaffeepflanzen mehr Sicherheit versprechen, wenn die Kaffeeernte mal schlechter ausfällt, aber dazwischen liegt eben auch das Valley of Death

Was tun die großen Konzerne?

Es ist ein altbekanntes Problem, dass bei den mehr als zwölf Millionen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die Kaffee anbauen, wenig hängenbleibt. Dabei ist Kaffee ein sehr einträgliches Geschäft. Nach Schätzungen werden auf dem weltweiten Kaffeemarkt etwa 200 Milliarden Dollar pro Jahr umgesetzt. Davon bekommen die Menschen, die den Kaffee anbauen, weniger als zehn Prozent.

Das liegt unter anderem daran, dass Kaffee vor allem als Rohkaffee exportiert wird. Vor allem mit der Verarbeitung des Kaffees in den Industrieländern und der Veredelung zu Röstkaffee werden später große Gewinne erwirtschaftet. Während die Preise für Rohkaffee in den letzten 30 Jahren um etwa 60 Prozent stiegen, stiegen sie für Kaffeeprodukte um rund 600 Prozent, laut einer Studie des Kiel Instituts für Weltwirtschaft.

Man sollte eigentlich meinen, die Gewinner im Kaffeehandel, die großen multinationalen Konzerne wie Nestlé oder Starbucks hätten genügend Anreize, um das Fundament ihres Geschäfts zu sichern, sprich den Kaffeeanbauenden zu helfen.

Das Bewusstsein für die Auswirkungen des Klimawandels sei da, sagt Hütz-Adams. Es gebe seit 15 Jahren viele Pilotprojekte. Wenn die aber in die Fläche getragen werden sollen, dann scheiterten sie daran, dass die Kaffeeanbauenden zu arm sind, um die Maßnahmen zu finanzieren. Für diese Menschen sei es nicht zumutbar, heute zu investieren und sich dafür unter Umständen verschulden zu müssen, ohne zu wissen, welchen Preis sie in Zukunft für ihre Ernte bekommen, meint Hütz-Adams. Daher müssten andere Marktstrukturen aufgebaut, langfristige Verträge geschlossen, Unterstützungsmaßnahmen eingeführt und Abnahmepreise garantiert werden, um den Kaffeeanbauenden Anreize zu geben, ihre Produktion an das veränderte Klima anzupassen.

"Die Frage ist aber bisher weniger, was ist nötig für eine Anpassung an den Klimawandel", kritisiert Hütz-Adams, "sondern die Frage ist, was macht der Wettbewerber? Und wenn der Wettbewerber es schafft, den Kaffee günstiger ins Regal zu bringen und so anderen Marktanteile abzunehmen, dann zählen bei vielen Unternehmen erst einmal die Marktanteile. Nachhaltigkeitsaspekte stehen hinten an."

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Insa Wrede, DW-Mitarbeiterin
Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion