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KonflikteUkraine

Ukraine: Selenskyj will Getreidedeal ohne Russland

18. Juli 2023

Trotz des russischen Angriffskriegs konnte in den vergangenen Monaten Getreide aus der Ukraine exportiert werden. Jetzt ist der Deal ausgelaufen. Die Ukraine hofft auf Exporte auch ohne Zustimmung Moskaus. Der Überblick.

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Ukraine-Krieg - Getreideernte
Die Ukraine will weiter Getreide exportieren - auch ohne Garantien aus Moskau (Archivbild)Bild: Ukrinform/dpa/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Selenskyj will Getreideexporte auch ohne Russland
  • Baerbock kritisiert Aufkündigung des Getreideabkommens 
  • Bundeswehr bestellt Hunderttausende Geschosse bei Rheinmetall 
  • Moskau: Ukrainische Drohnenattacke auf Krim-Brücke abgewehrt 
  • US-Generalstabschef: Ukrainische Offensive ist kein Misserfolg

 

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj setzt auf Gespräche mit den Vereinten Nationen und der Türkei, um das Getreideabkommen auch ohne Moskau fortzusetzen. Dazu habe er Briefe an UN-Generalsekretär Antonio Guterres und den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan geschrieben, sagte Selenskyj.

Russland habe die stabile Lebensmittelversorgung zerstört, doch die Staaten in Asien, Afrika und Europa hätten ein Recht auf Stabilität. "Die Schwarzmeer-Getreideinitiative kann und sollte weitergehen - wenn ohne Russland, dann ohne Russland."

Die Welt habe eine Gelegenheit zu zeigen, dass keine Erpressung geduldet werde bei der Frage, wer genug Essen auf dem Tisch habe. Benötigt werde Schutz vor dem "Wahnsinn Russlands". Selenskyj betonte, das Abkommen mit den Vereinten Nationen und der Türkei bleibe in Kraft. Es müsse nur umgesetzt werden. Mit dem Abkommen hatte die Ukraine trotz des Kriegs seit vergangenem Sommer Getreide über das Schwarze Meer exportiert.

Russland verlängert Getreideabkommen nicht

Moskau stellt Forderungen

Das von den UN und der Türkei vermittelte Abkommen mit Russland zur Verschiffung ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer lief am Montag um 23.00 Uhr MESZ offiziell aus. Russland hatte die Vereinbarung am Montag aufgekündigt. Kremlsprecher Dmitri Peskow hatte gesagt, erst wenn Forderungen für den Export russischen Getreides erfüllt würden, könne sein Land zur Erfüllung der Vereinbarung zurückkehren.

Russland Moskau | Dmitri Peskow und Wladimir Putin
Kremlsprecher Peskow (l.), neben ihm Präsident Putin (Archivbild)Bild: Alexei Druginyn/EPA/RIA Novosti/picture alliance

Das Auslaufen des Abkommens wird international beklagt. Es weckt wieder Befürchtungen vor steigenden Preisen für Getreide und Lebensmittel. Dank der Vereinbarung hatte die Ukraine trotz des russischen Angriffskriegs seit vergangenem Sommer Getreide auf dem Seeweg exportieren können. Mehr als 1000 Schiffe brachten fast 33 Millionen Tonnen ins Ausland. Als vorläufig letztes Schiff wurde am Montag in Istanbul der Frachter "TQ Samsun" auf dem Weg in die Niederlande kontrolliert.  

Baerbock kritisiert Aufkündigung des Getreideabkommens

Die Entscheidung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, das Getreideabkommen nicht zu verlängern, habe jedes Land und jeden Delegierten der Vereinten Nationen "schockiert", erklärte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock anlässlich des Jahrestages der Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH). In einem Interview der Deutschen Welle sagte sie, das Abkommen mit der Türkei und den Vereinten Nationen habe der Ukraine bisher erlaubt, ihr Getreide mitten im Krieg mit Schiffen über das Schwarze Meer zu exportieren.

USA I Ines Pohl interviewt Annalena Baerbock in New York
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock im DW-Interview in New YorkBild: Michaela Kuefner/DW

Die Ministerin betonte, es sei wichtig, Druck auf Putin auszuüben, um die Entscheidung rückgängig zu machen. Der beste Weg dahin bestehe darin, "dass sich Länder aus Afrika, Lateinamerika und Asien direkt an Putin wenden“. Baerbock sagte der DW weiter: "Wir haben im letzten Jahr gesehen, dass es einen Unterschied macht, wenn auch andere Länder in der Welt, nicht nur europäische Länder, sich an Putin wenden."

Milliardenauftrag der Bundeswehr für Rheinmetall

Die Bundeswehr hat beim Rüstungskonzern Rheinmetall mehrere Hunderttausend Artilleriegeschosse bestellt. Der Wert der Gefechts- und Übungsmunition belaufe sich auf rund 1,3 Milliarden Euro, teilte das Unternehmen mit. Rheinmetall verwies auf die durch den Ukraine-Krieg entstandene Notwendigkeit, die Munitionslager der Streitkräfte wieder zu füllen. Die Bundeswehr hat seit Beginn des russischen Angriffskriegs Zehntausende Artilleriegeschosse an die ukrainischen Streitkräfte abgegeben. Erste Geschosse im Wert von 127 Millionen Euro sollen "kurzfristig" geliefert werden.

Für die Munitionslieferungen seien zwei Verträge beim Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr unterzeichnet worden, erklärte Rheinmetall weiter. Einerseits geht es demnach um einen Rahmenvertrag für die Lieferung von 155-Millimeter-Artilleriemunition bis zum Jahr 2029. Dieser habe ein mögliches Auftragsvolumen von rund 1,2 Milliarden Euro. Zudem sei ein bestehender Rahmenvertrag für DM121-Artilleriegeschosse erweitert worden. Dieser sei um 137 auf 246 Millionen Euro erhöht worden.

Russland: Neue Attacke auf Krim-Brücke abgewehrt

Rund einen Tag nach der Explosion auf der Krim-Brücke will Russland nahe der annektierten ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel einen weiteren größeren Drohnenangriff abgewehrt haben. Insgesamt 28 unbemannte ukrainische Flugkörper seien in der Nacht abgeschossen oder von ihrer geplanten Flugbahn abgebracht worden, erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau. Es habe keine Opfer oder Zerstörungen gegeben. Unabhängig überprüfen ließen sich die Angaben nicht.

Krim-Brücke I Verkehr
Zumindest eine Seite der Krim-Brücke ist wieder befahrbar - hier ein ArchivbildBild: Alexander Nemenov/AFP

Auf der beschädigten Krim-Brücke wurde der Autoverkehr in der Nacht mit Einschränkungen wiederaufgenommen. Genutzt werde nur eine der zwei Fahrbahnen, teilte Vizeregierungschef Marat Chusnullin nach Angaben russischer Agenturen mit. Die strategisch wichtige Brücke, die die 2014 annektierte Halbinsel mit dem Festland verbindet, war in der Nacht auf Montag nach russischen Angaben mit unbemannten ferngesteuerten Booten angegriffen worden. Durch die Explosionen sackte ein Fahrbahnteil ab, zwei Menschen starben. Moskau macht die Ukraine verantwortlich, Präsident Wladimir Putin drohte militärische Vergeltung an. 

Krim-Brücke nach Explosion beschädigt

Russland greift ukrainische Region Odessa an

Das russische Militär hat die südukrainische Region Odessa am Schwarzen Meer in der Nacht zum Dienstag mit Luftangriffen überzogen. Zwar habe die ukrainische Luftverteidigung sechs russische Kalibr-Marschflugkörper und 21 Kampfdrohnen abschießen können, teilte das Kommando Süd der Armee mit. Dennoch hätten herabstürzende Trümmerteile und Druckwellen Schäden am Hafen von Odessa sowie an Privathäusern verursacht. Außerdem sei ein Bewohner verletzt worden. Auch in der angrenzenden Region Mykolajiw seien vier Drohnen abgewehrt worden.

Das ukrainische Militär berichtete außerdem von russischen Angriffen im Raum Kupjansk im nordöstlichen Gebiet Charkiw. Dort habe die russische Armee eine Offensive begonnen, um die ukrainischen Linien zu durchbrechen.

Ukraine I Raketenangriff auf Museum in Kupiansk
Das Gebiet rund um Kupjansk ist seit Monaten umkämpft, hier eine Aufnahme vom April Bild: REUTERS

Russland führt seit bald 17 Monaten einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland. Derzeit ist eine ukrainische Gegenoffensive in Gang. Unabhängig überprüfbar waren die Militärangaben nicht. Aber auch der allabendliche Lagebericht des Generalstabs in Kiew erwähnte die Front bei Kupjansk als einen Schwerpunkt der Kämpfe. Die ukrainischen Truppen hielten dem Angriff stand, heißt es in dem Bericht.

100.000 Soldaten bei Kupjansk und Lyman

Ein Presseoffizier der ukrainischen Armee sprach im Fernsehen von angeblich 100.000 Mann, die Russland an den Frontabschnitten Kupjansk und Lyman zusammengezogen habe. Die russische Armee schicke auch weitere Kräfte, vor allem Luftlandetruppen, in die Stadt Bachmut, berichtete General Syrskyj.

Ukraine | Krieg | Frontlinie bei Bachmut
Ukrainische Soldaten in der Nähe von Bachmut (Archivbild)Bild: Alex Babenko/AP Photo/picture alliance

Deren Auftrag sei es, die Rückeroberung der Orte um Bachmut durch die Ukraine zu stoppen. Die ukrainischen Truppen hatten Bachmut selbst nach monatelangen Kämpfen geräumt. Sie dringen in ihrer Großoffensive aber nördlich und südlich der Stadt wieder vor. 

Milley: "Ukrainer rücken stetig vor"

Die USA haben der Ukraine unterdessen Fortschritte bei ihrer Gegenoffensive bescheinigt. "Die Ukrainer rücken stetig und zielstrebig vor", sagte Generalstabschef Mark Milley nach einem Online-Treffen der internationalen Ukraine-Kontaktgruppe, das der Koordinierung der Militärhilfe diente.

Deutschland Ramstein Air Base | Beratungen über Militärhilfe für Ukraine | Mark A. Milley, US-Generalstabschef
"Es wird lang, es wird hart, es wird blutig": US-Generalstabschef Mark Milley (Archivbild)Bild: Wolfgang Rattay/REUTERS

"Das ist alles andere als ein Misserfolg", ergänzte er nach einer entsprechenden Frage. Es sei viel zu früh, um zu einem derartigen Schluss zu kommen. "Ich bleibe bei dem, was wir zuvor gesagt haben: Es wird lang, es wird hart, es wird blutig." Als Grund für das langsame Vorrücken nannte Milley vermintes Gebiet. Die ukrainischen Streitkräfte arbeiteten sich "langsam" und "bedächtig" durch die Minenfelder, die derzeit eine besonders große Gefahr darstellten. "Die Verluste, die die Ukrainer bei dieser Offensive erleiden, gehen nicht so sehr auf die Stärke der russischen Luftwaffe zurück, sondern auf Minenfelder", sagte er.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin versicherte, dass die Verbündeten des von Russland angegriffenen Landes nicht nachlassen würden bei ihrer Unterstützung für die Ukraine. "Unsere Arbeit geht weiter, und wir werden alles tun, was wir können, um sicherzustellen, dass die Ukrainer erfolgreich sein können."

Zahl der deutsch-ukrainischen Städtepartnerschaften wächst

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hat sich die Zahl der Partnerschaften zwischen deutschen und ukrainischen Städten mehr als verdoppelt. Vor Kriegsbeginn habe es 73 Städte-Partnerschaften oder -Freundschaften gegeben, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, in Berlin. Inzwischen seien viele Städte neu dazugekommen. Derzeit liege die Zahl bundesweit bei 167 formalisierten und nicht formalisierten Partnerschaften.

Helmut Dedy
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy (Archivbild)Bild: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

„Unsere Städte stehen fest an der Seite der Menschen in der Ukraine. Wir leisten weiterhin humanitäre Hilfe und wollen den Wiederaufbau der Ukraine unterstützen“, betonte Dedy. Der Deutsche Städtetag unterstütze den Appell des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und des ukrainischen Präsidenten Selenskyj, weitere deutsch-ukrainische Partnerschaften zwischen Städten, Kreisen und Gemeinden sowie zwischen kommunalen Unternehmen zu begründen und so das bestehende Netzwerk auszubauen.

DiCarlo warnt vor Ausweitung des Krieges

Die UN-Spitzendiplomatin Rosemary DiCarlo hat ein Ende des russischen Angriffskriegs in der Ukraine verlangt und vor einer Ausweitung gewarnt. "Je länger dieser Krieg dauert, desto gefährlicher sind seine Folgen - einschließlich der Möglichkeit eines größeren Konflikts", sagte die UN-Beauftragte für politische Angelegenheiten am Montag vor dem UN-Sicherheitsrat in New York. Zum "Wohle des ukrainischen Volkes und zum Wohle unserer Weltgemeinschaft" müsse der "sinnlose, ungerechtfertigte" Krieg aufhören, so die US-Amerikanerin weiter.

UN - Rosemary DiCarlo
Rosemary DiCarlo ist UN-Beauftragte für politische Angelegenheiten (Archivbild)Bild: Eskinder Debebe/Xinhua News Agency/picture alliance

Russland habe mit seinem Einmarsch ins Nachbarland gegen die UN-Charta und internationales Recht verstoßen. An der Sitzung des mächtigsten UN-Gremiums nahm auch die deutsche Außenministerin Baerbock teil.

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus Kriegsgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

kle/sti/haz/fw/jj/uh (dpa, rtr, afp, ap)