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KonflikteIsrael

Nahost: Intensive Angriffe auf Ziele in Chan Junis

5. Dezember 2023

Die israelischen Streitkräfte haben ihre Angriffe auf Ziele in Chan Junis, der größten Stadt in Süd-Gaza, verstärkt. Helfer sorgen sich um die Hunderttausenden von Flüchtlingen in der Region. Ein Überblick.

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Palästinenser blicken auf zerstörte Wohngebäude in Chan Junis
Zerstörte Wohngebäude in Chan Junis im Süden des Gazastreifens Bild: Ahmed Zakot/SOPA Images via ZUMA/dpa/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze: 

  • Massive Angriffe im Raum Chan Junis 
  • Krankenhäuser im Süden des Gazastreifens völlig überlastet
  • Große Sorge um zahllose palästinensische Flüchtlinge in Süd-Gaza 
  • Geisel-Angehörige treffen Israels Premier Netanjahu 
  • Bericht: Israel könnte Hamas-Tunnelsystem fluten 

 

Israels Armee stößt im Süden des Gazastreifens weiter vor und nimmt laut Augenzeugen und Medien Ziele im Raum Chan Junis massiv unter Beschuss. Die israelische Internetzeitung "Times of Israel" berichtet von intensiven Angriffen der Streitkräfte in der größten Stadt des südlichen Teils des abgeriegelten Küstengebietes. Zuvor seien Dutzende israelische Panzer in den Süden Gazas vorgestoßen. Augenzeugen sprechen auch von gepanzerten Mannschaftstransportern und Planierraupen in der Region.  

Raketenalarm in Israel 

Unterdessen gab es auf israelischer Seite an der Grenze zum Gazastreifen wieder Raketenalarm. Das bestätigte die israelische Armee am Dienstagmorgen. Ein Sprecher fügte hinzu, der seit Wochen dauernde Einsatz gegen die Hamas, die von Israel, den USA, der EU und weiteren Staaten als Terrororganisation eingestuft ist, sei auch im Norden von Gaza noch nicht beendet. "Wir haben sie im Norden noch nicht vollständig militärisch besiegt, aber wir haben gute Fortschritte gemacht." Hamas-Terroristen haben aus dem Gazastreifen heraus in den vergangenen Wochen Tausende von Raketen auf Israel abgefeuert.

Sorgen um palästinensische Zivilbevölkerung 

Nach der Ausweitung des israelischen Militäreinsatzes gegen die militant-islamistische Palästinenserorganisation Hamas auf den Süden des Gazastreifens sorgen sich Hilfsorganisationen zunehmend um die Hunderttausenden von Zivilisten dort. Hilfsorganisationen sprechen von "unerträglichem Leid der Zivilbevölkerung". Keiner fühle sich sicher, wenn alle zehn Minuten Bomben fallen würden, sagte der Sprecher des UN-Kinderhilfswerks UNICEF, James Elder, dem britischen Rundfunksender BBC. "Die Zahl der getöteten Zivilisten nimmt rapide zu", schreibt der Generalkommissar des Palästinenserhilfswerks der Vereinten Nationen (UNRWA), Philippe Lazzarini, in einer Mitteilung. Frauen, Kinder, Ältere, Kranke und Menschen mit Behinderungen seien die Hauptleidtragenden des Krieges.

Flüchtlingslager in Rafah im Süden des Gazastreifens
Lager in Rafah - an der Grenze zu Ägyten - für die zahllosen geflüchteten Palästinenser aus dem Norden von Gaza Bild: Fatima Shbair/AP Photo/picture alliance

"Die Voraussetzungen für die Bereitstellung von Hilfe für die Menschen in Gaza sind nicht gegeben", machte die UN-Koordinatorin für humanitäre Angelegenheiten in den palästinensischen Gebieten, Lynn Hastings, deutlich. "Möglicherweise wird sich ein noch höllischeres Szenario entfalten", sagte sie wörtlich. Die Vertreterin der Vereinten Nationen wies zugleich die Idee von "Sicherheitszonen" zurück, zu deren Einrichtung die USA Israel gedrängt hatten. "Diese Zonen können weder sicher noch humanitär sein, wenn sie einseitig erklärt werden", sagte sie.

Die israelische Armee hat eine Evakuierungskarte aktiviert, die den Gazastreifen in Hunderte kleiner Zonen unterteilt, um die Zivilisten über Kampfzonen zu informieren. Kritiker beklagen jedoch, dass die Menschen vielfach weder Strom noch Internet hätten, um sich die Karte anzusehen. Viele wüssten auch nicht, wie sie mit ihr umgehen sollten. Im Süden Gazas drängen sich Hunderttausende palästinensische Zivilisten, die auf Israels Anweisung aus dem Norden des Gebiets dorthin geflohen waren. 

Krankenhäuser in Süd-Gaza völlig überlastet 

Zwei Krankenhäuser im Süden von Gaza können nach Angaben der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen den Zustrom der Patienten kaum noch bewältigen. In den vergangenen 48 Stunden seien allein im Al-Aksa-Krankenhaus 100 Tote und 400 Verletzte in die Notaufnahme gebracht worden, berichtete Katrien Claeys von Ärzte ohne Grenzen. Nach kürzlichen Luft- und Bodenangriffen der israelischen Armee sei die Klinik zuletzt von Patienten "regelrecht überschwemmt" worden. 

Verletzte auf Bahren und medizinische Mitarbeiter umgeben von Helfern und Angehörigen
Verletzte werden notdürftig in der Nasser-Klinik im Süden des Gazastreifens behandelt Bild: Ibraheem Abu Mustafa/REUTERS

Auch das Nasser-Krankenhaus in Chan Junis arbeitet nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen an der Belastungsgrenze. Auf dem Parkplatz der Klinik wurden laut Hilfsorganisation neue provisorische  Unterkünfte errichtet, um Geflüchtete aufzunehmen. Israel wirft der islamistischen Hamas vor, regelmäßig Angriffe aus Wohngebieten und Krankenhäusern heraus zu verüben und Zivilisten als Schutzschilde zu missbrauchen.

Geheime Informationen zu Geiseln 

Die israelische Behörden verfügen nach eigenen Angaben über Geheimdienst-Informationen zu den Geiseln, die noch in der Hand der terroristischen Hamas im Gazastreifen sind. Ein Armeesprecher sagte, man habe entsprechende nachrichtendienstliche Hinweise. Nähere Angaben könne er nicht machen. Er bekräftigte, man wolle alle Geiseln zurückholen. Falls dies nicht durch Verhandlungen möglich sei, werde man andere Mittel anwenden.

Israel geht davon aus, dass noch 137 Geiseln festgehalten werden. Unter ihnen sind laut Verteidigungsminister Joav Galant 15 Frauen und zwei Kinder.

Treffen mit Netanjahu

Angehörige der Geiseln werden voraussichtlich an diesem Dienstag zu einem Gespräch mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zusammentreffen. Sie wollten eine Zusicherung vom Regierungschef, dass er das Schicksal ihrer verschleppten Verwandten bei den Angriffen gegen die Hamas berücksichtige, erklärten die Familien. Sie warfen Netanjahu und Mitgliedern seiner Regierung zudem vor, ihren Forderungen nach einem Treffen tagelang ausgewichen zu sein. 

Benjamin Netanjahu
Israels Premier Benjamin Netanjahu will sich an diesem Dienstag mit Angehörigen der in Gaza verschleppten Geiseln treffen (Archivbild vom Oktober) Bild: Abir Sultan via REUTERS

Hunderte von Hamas-Terroristen hatten Israel am 7. Oktober überfallen und ein Massaker angerichtet.  Rund 1200 Menschen wurden ermordet, die meisten von ihnen waren Zivilisten. Etwa 240 Menschen wurden an dem Tag in den Gazastreifen verschleppt.

Bericht: Israel könnte Hamas-Tunnelsystem fluten 

Israelische Experten haben laut einem Medienbericht ein System aus großen Pumpen zusammengebaut, mit denen das weit verzweigte Tunnelnetz der Hamas unter dem Gazastreifen mit Meerwasser geflutet werden könnte. Wie die US-Tageszeitung "Wall Street Journal" unter Berufung auf amerikanische Regierungsbeamte weiter berichtet, ist allerdings unklar, ob Israels Regierung diese Taktik auch anwenden will. Die Regierung habe weder eine endgültige Entscheidung dazu getroffen, noch einen solchen Plan ausgeschlossen, hieß es.

Mit einer solchen Taktik wäre die israelische Armee in der Lage, die Tunnel zu zerstören und die Terroristen aus ihrem unterirdischen Versteck zu vertreiben, schreibt die Zeitung. Andererseits würde dies die Wasserversorgung des Gazastreifens bedrohen. 

Das Militär hat laut eigenen Angaben seit Beginn des Kriegs gegen die Hamas-Terroristen mehr als 800 Tunnelschächte entdeckt. Etwa 500 davon seien bereits zerstört worden. Unter dem kilometerlangen Tunnelsystem befinden sich nach Erkenntnissen israelischer Armeeexperten auch Kommando-, Kontroll- und Kommunikationsräume, Vorratskammern sowie Abschussrampen für Raketen der Terroristen.

Israels Armee: Keine Anweisung zur Räumung eines Gaza-Lagers

Die israelische Armee hat Berichte zurückgewiesen, wonach sie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgefordert habe, ein Lager mit Hilfsgütern im Süden des Gazastreifens zu räumen. "Die Wahrheit ist, dass wir Sie nicht gebeten haben, die Lagerhäuser zu evakuieren", erklärte die israelischen Behörde für zivile Angelegenheiten in den besetzten Gebieten im Onlinedienst X, vormals Twitter. Sie habe dies gegenüber den entsprechenden UN-Vertretern deutlich gemacht.

WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus hatte zuvor bekannt gegeben, die israelische Armee habe seine Organisation zur Räumung aufgefordert und mitgeteilt, dass "Bodeneinsätze" in der Umgebung die Räumlichkeiten unbenutzbar machen würden. Er habe Israel aufgefordert, die Aufforderung zurückzuziehen.

Weißer Rauch über Kfar Kila
Rauch über Kfar Kila, einem libanesischen Grenzdort, nach einem Angriff der israelischen Armee Bild: Hussein Malla/AP Photo/dpa/picture alliance

Angriffe aus Südlibanon - Israel reagiert

Als Reaktion auf Beschuss aus dem Süden des Libanons hat die israelische Armee dort Stellungen der schiitischen Hisbollah-Miliz angegriffen. Wie das Militär in der Nacht zum Dienstag mitteilte, trafen Kampfflugzeuge Raketenstellungen der vom Iran unterstützten Miliz, die neben Israel von Deutschland, den USA sowie einigen sunnitischen arabischen Staaten als Terrororganisation gelistet ist. Auch "Terrorinfrastruktur und ein Militärgelände" seien unter Feuer genommen worden. Man habe auf Beschuss aus dem Libanon auf Ziele in Israel vom Montag reagiert. Drei Soldaten seien verwundet worden.

se/sti/AL (dpa, afp, ap, rtr, kna) 

Redaktionsschluss 20.15h MEZ. Dieser Artikel wird nicht weiter aktualisiert.