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KonflikteIsrael

Israel und die UN, ein schwieriges Verhältnis

22. März 2024

Mit der Resolution des UN-Sicherheitsrats zu Gaza spitzt sich der Streit zwischen Israel und den Vereinten Nationen weiter zu. Warum die Beziehungen schon lange kompliziert sind und sich weiter verschlechtern.

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Israels ehemaliger Außen- und aktueller Energieminister Eli Cohen bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates am 24. Oktober 2023
Israels ehemaliger Außen- und aktueller Energieminister Eli Cohen bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates am 24. Oktober 2023Bild: Shannon Stapleton/REUTERS

Zu keiner anderen Krisenregion der Welt gibt es so viele UN-Resolutionen wie zu Israel und den palästinensischen Gebieten. Die Beziehungen zwischen Israel und der UN sind seit jeher angespannt.

Denn in der UN-Generalversammlung gibt es eine stabile, dauerhafte Mehrheit von Staaten, die die Situation der Palästinenser seit Jahren regelmäßig auf die Tagesordnung setzen und sich dabei kritisch gegenüber Israel äußern. Neben den muslimischen sind dies vor allem zahlreiche Staaten des "globalen Südens".

Deutschland orientiert sich bei seinem Abstimmungsverhalten in der Regel an einer gemeinsamen Position der EU und stimmt je nach Thema unterschiedlich ab. Die USA votierten bisher traditionell im Interesse Israels.

Israel fühlt sich ungerecht behandelt

Allein zwischen 2015 und 2022 hat die UN-Vollversammlung laut der Genfer Nichtregierungsorganisation UN Watch 140 israelkritische Resolutionen verabschiedet, die beispielsweise den Siedlungsbau in palästinensischen Gebieten oder die Annexion der Golanhöhen betreffen.

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Zum Vergleich: Im selben Zeitraum gab es zu allen anderen Regionen der Welt insgesamt nur 68 weitere Resolutionen, nur fünf davon befassten sich etwa mit dem Iran. In Israel fühlt man sich dementsprechend seit langem ungerecht behandelt von der UN.

Resolution ist nicht gleich Resolution

Wichtig ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass die Resolutionen der UN-Generalversammlung völkerrechtlich nicht bindend sind. Sie stellen lediglich Leitlinien oder Haltungen der Staatengemeinschaft zu bestimmten Konfliktthemen dar. Als beschlossen gelten Resolutionen, wenn die UN-Generalversammlung mit Zweidrittel-Mehrheit dafür stimmt.

Resolutionen des UN-Sicherheitsrats hingegen sind völkerrechtlich bindend, sie werden gegen Staaten oder Konfliktparteien ausgesprochen, die die internationale Sicherheit gefährden oder das Völkerrecht oder die Menschenrechte verletzen. Sie können jedoch durch das Veto eines einzigen der fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder blockiert werden.

US-Außenminister Antony Blinken betritt einen Saal der UN in New York
Freund Israels: US-Außenminister Antony Blinken bei einem Auftritt im UN-Sicherheitsrat am 24. Oktober 2023Bild: Shannon Stapleton/REUTERS

Schutz durch die USA

Hier hielten die USA grundsätzlich ihre schützende Hand über die Regierung in Jerusalem: Washington hat bisher von seinem Vetorecht in Bezug auf Israel regelmäßig Gebrauch gemacht.

Das hat zu der Situation geführt, dass den 140 israelkritischen Resolutionen der Generalversammlung seit 2015 bislang nur eine einzige Entschließung des UN-Sicherheitsrates gegenübersteht.

2016 nämlich forderte das höchste UN-Gremium einen Stopp des israelischen Siedlungsbaus in den besetzten Gebieten. Auch bei dieser Gelegenheit stimmten die USA nicht explizit für die Resolution, sondern enthielten sich lediglich ihrer Stimme.

Am 26. Oktober 2023 verabschiedete die Generalversammlung die nächste Nahost-Resolution: Jordanien und 21 andere arabische Staaten brachten einen Entwurf ein, indem sie einen Waffenstillstand und den uneingeschränkten Zugang zu  humanitärer Hilfe im Gazastreifen fordern.

"Mülleimer der Geschichte"

Israel wird in dem Text als "Besatzungsmacht" bezeichnet, sein Recht auf Selbstverteidigung wird nicht erwähnt. Die Hamas - von Deutschland, der Europäischen Union, den Vereinigten Staaten und sogar einigen arabischen Staaten als terroristische Organisation eingestuft - wird in dem Text dagegen nicht namentlich genannt. 

Die Hamas begrüßte die Resolution. Israels UN-Botschafter Gilad Erdan hingegen kritisierte das auf der Plattform X auf das Schärfste. Dennoch stimmte die UN-Vollversammlung dem Antrag mit großer Mehrheit zu.

Gilad Erdan prangerte den Text auch nach der Abstimmung weiterhin mit scharfen Worten an: "Der einzige Ort, an den diese Resolution gehört, ist der Mülleimer der Geschichte." Die UN habe gezeigt, dass sie "nicht mehr die geringste Legitimität oder Relevanz" besitze.

Beziehung mit Höhen und Tiefen

Dabei galten die Vereinten Nationen einst sogar als eine Art "Geburtshelfer Israels". 1947 beschloss die Generalversammlung - gegen den Widerstand der arabischen Staaten - den UN-Teilungsplan für Palästina und machte dadurch den Weg frei für die Gründung des Staates Israel im Mai 1948.

Damals bestanden die Vereinten Nationen noch aus lediglich 57 Mitgliedstaaten. Insbesondere infolge der Dekolonialisierung nahm diese Zahl immer weiter zu, weil neu entstehende Staaten der UN beitraten und sich so auch die politischen Gewichtungen in der Generalversammlung veränderten.

Nach dem Sechstagekrieg und der darauffolgenden israelischen Besetzung der Palästinensergebiete 1967 verschlechterten sich die Beziehungen zwischen Israel und UN zusehends. Seitdem nahm auch die Zahl der israelkritischen Resolutionen der Generalversammlung deutlich zu.

Im UN-Menschenrechtsrat gibt es mittlerweile bei jeder Sitzung einen eigenen Tagesordnungspunkt, der sich mit der Lage in den von Israel besetzten Gebieten befasst.

Demgegenüber gab es in den vergangenen Jahren auch kleinere diplomatische Schritte hin zu einer stärkeren Einbindung Israels in die UN. So stellte das Land 2012 erstmals einen Vizepräsidenten der Generalversammlung, 2016 den Vorsitzenden des Rechtsausschusses. Dennoch blieb das Verhältnis Israels zu den Vereinten Nationen stets angespannt.

Dies ist die aktualisierte Fassung eines ursprünglich vom 28. Oktober 2023 stammenden Artikels.

Thomas Latschan Bonn 9558
Thomas Latschan Langjähriger Autor und Redakteur für Themen internationaler Politik