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Eingefrorene Embryos: Vorteile und Risiken von Kryotransfers

9. April 2024

Künstliche Befruchtungen werden immer häufiger mit tiefgefrorenen Embryos durchgeführt. Kryotransfers oder Frozen Embryo Transfers sind planbarer und benötigen weniger Hormone. Doch es gibt Risiken, für Mutter und Kind.

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In einer Petrischale befindet sich ein hellrosa Schnuller in einem Eiswürfel eingefroren.
Kryotranfers sind in den letzten Jahrzehnten immer besser geworden. Eine Garantie für ein Baby sind sie trotzdem nichtBild: Andrew Brookes/Image Source/IMAGO

Irgendwann müssen sich Paare mit unerfülltem Kinderwunsch eingestehen: "Mist, irgendwie klappt das mit dem Kinderkriegen nicht. Wir brauchen Hilfe."

Unfruchtbarkeit betrifft laut WHO eines von sechs Paaren weltweit. Kein Wunder, dass in vielen Ländern Kinderwunschkliniken wie Pilze aus dem Boden schießen. Mit künstlicher oder assistierter Befruchtung zum Elternglück, so lautet das Versprechen.  

Im Labor erschaffene Embryos werden entweder unmittelbar nach ihrer Erzeugung "frisch" in die Gebärmutter eingesetzt. Oder aber – tiefgefroren und dann aufgetaut – erst später. Manchmal sehr viel später.  

Wird da wirklich ein Embryo eingefroren? 

Gewöhnlich reift im menschlichen Eierstock jeden Monat eine Eizelle heran. Nach einer Hormonbehandlung in der Kinderwunschklinik sind es deutlich mehr. Mit weiteren Hormonen wird auch der Eisprung der Patientin künstlich ausgelöst. Im Körper kann eine Eizelle innerhalb von 24 Stunden befruchtet werden.

Bei der assistierten Befruchtung hingegen werden die Eizellen zunächst unter Vollnarkose "geerntet" (Punktion). Im Labor werden sie dann entweder für eine spätere Schwangerschaft aufbewahrt. Oder in einer Petrischale direkt mit einer Samenzelle zusammengebracht.  

Deutlich sichtbare Aufteilung von Zellen. Äußere und innere Reihen erkennbar.
Die Zellteilung einer erfolgreich befruchteten Eizelle schreitet sehr schnell voran wie an diesem drei Tage altem Embryo sichtbar ist.Bild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Eine große Anzahl von Eizellen ist von Vorteil, da die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle außerhalb des Körpers nicht immer reibungslos verläuft. Einige befruchtete Eizellen entwickeln sich nicht gut, andere können gar nicht erst befruchtet werden.

Mit etwas Glück und viel Wissenschaft erhält das Paar am Ende des ersten Versuchs mehrere lebensfähige Embryos. 

Mit Embryo ist hier allerdings zunächst nur ein Einzeller gemeint. Er muss noch viele Zellteilungen durchlaufen, bevor er menschliche Züge annimmt. Am fünften oder sechsten Tag nach der Befruchtung – dem Zeitpunkt also, an dem die Embryos in der Regel eingefroren werden – lässt sich der Embryo noch immer am besten als ein sich schnell teilender Zellhaufen beschreiben.

In diesem so genannten Blastozystenstadium werden die Embryos mit den besten Entwicklungschancen ausgewählt und eingefroren.

Wie läuft ein Kryotransfer ab?  

Wenn ein oder zwei Embryos direkt vom Labortisch in die Gebärmutter übertragen werden, nennt sich das "Frischtransfer". Oft bleiben dabei noch weitere lebensfähige Embryos übrig. Sie können für eine spätere Verwendung eingefroren werden.  


1978 wurde Louise Joy Brown als erster Mensch mit Hilfe assistierter Reproduktionstechniken geboren. Seither sind ihr schätzungsweise 12 Millionen Menschen gefolgt
. Auch die Kryokonservierung von Embryos wird seit Jahrzehnten praktiziert.  

Und stetig verbessert: Bei der sogenannten Vitrifikation werden die Embryos mit viel Kälteschutzmittel sehr schnell eingefroren. Diese Technik verhindert, dass spitze Eiskristalle die Zellen schädigen. 

Kryotransfers werden inzwischen sogar etwas häufiger durchgeführt als Frischtransfers, zumindest in Europa. Kinderwunschkliniken werben damit, dass diese Methode eine höhere Erfolgsrate bei der Schwangerschaft aufweise.

Studien konnten dies bisher noch nicht bestätigen.

Ein schwarz-weiß Foto von einem Baby, eingepackt in einer Art Folienrettungsdecke. Nur das Gesicht des Babys ist sichtbar. Der Finger einer erwachsenen Person ist sichtbar und hält die Folie fest.
Das erste offizielle Kryo-Baby wurde 1984 geboren. Es gibt jedoch Grund zu der Annahme, dass ein indischer Arzt die gleiche Technologie bereits fünf Jahre zuvor erfolgreich angewendet hat. Bild: AP Images/picture alliance

Welche Vorteile haben Kryotransfers?

Gesundheitlich: Bei der assistierten Reproduktion werden in der Regel zahlreiche Hormone eingesetzt. Das kann das sogenannte ovarielle Hyperstimulationssyndrom (OHSS) zur Folge haben. Diese Überstimulation kann zu einer Vergrößerung der Eierstöcke und im Extremfall zu Atemnot und Kreislaufkollaps führen. Kryotransfers verringern dieses Risiko, da sie dem Körper  eine Pause von den Hormongaben gönnen.

Zeitlich: Untersuchungen an Embryos, zum Beispiel auf genetische Erbkrankheiten, nehmen einige Zeit in Anspruch. Durch den Kryotransfer können Entscheidungen über die Verwendung solcher Embryos aufgeschoben werden. 

Finanziell: Nach einem fehlgeschlagenen Versuch kann sofort im Folgemonat ein neuer Versuch mit eingefrorenen Embryos derselben Charge gestartet werden. Das ist kostengünstiger und für die Patientin weniger belastend als eine erneute Hormonbehandlung mit Punktion und erneuter Befruchtung im Labor. 

Kinderwunschklinik: Doch ein eigenes Baby?

Wie lange können Embryos eingefroren werden? 

Technisch können Embryos auf unbestimmte Zeit eingefroren werden. Rekordverdächtig war die Geburt eines Zwillingspaares im Jahr 2022, das nach 30 Jahren Kryokonservierung zur Welt kam. Kuriose Konstellationen wie die von fast gleichaltrigen Müttern und Kindern heizen die ethische Diskussion um den Umgang mit eingefrorenen Embryos weiter an. 

Noch unklar ist, welche Langzeitfolgen Krykonservierung hat. Doch Studien häufen sich, die auf Risiken hindeuten. 

Wie gefährlich sind Kryotransfers für Schwangere und Kind? 

Es gibt Studien, die ein erhöhtes Krebsrisiko bei Kindern gefunden haben wollen, die als Embryo gefroren waren. Vorsichtshalber wird von einer medizinisch nicht begründeten Kryokonservierung aller Embryos abgeraten. 

Auch die Risiken für die Gebärende scheinen erhöht zu sein: Laut einer französischen Studie treten bei Geburten von Kryo-Babys vermehrt sogenannte postpartale Hämorrhagien (PPH) also schwere Blutungen auf. 

Im Vergleich zu Schwangerschaften mit Embryos aus Frischtransfers oder aus natürlicher Befruchtung, ist das Risiko für Schwangerschaftshochdruck (Präeklampsie) nach einem Transfer gefrorener Embryos deutlich erhöht.

Was bedeutet das nun für Paare, die mit medizinischer Hilfe eine Familie gründen wollen oder müssen? Sie haben heute zwar viel mehr Möglichkeiten, aber einfacher geworden ist es deshalb nicht. 

Quellen: 

European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE): Factsheet on ART (Nov 2023) https://www.eshre.eu/Press-Room/Resources/Fact-sheets

Human Reproduction Update: Fresh versus frozen embryo transfer: backing clinical decisions with scientific and clinical evidence (2014) https://doi.org/10.1093/humupd/dmu027

PLoS Medicine: Cancer in children born after frozen-thawed embryo transfer: A cohort study. (2022) https://doi.org/10.1371/journal.pmed.1004078 

BJOG: An International Journal of Obstetrics and Gynaecology: Major postpartum haemorrhage after frozen embryo transfer: A population-based study (2023) https://doi.org/10.1111/1471-0528.17625

DW Kommentarbild Anna Sacco
Anna Sacco Berichtet über populärwissenschaftliche Themen, Entwicklungspsychologie und Reproduktionsmedizin.