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Knastladen: Millionen-Umsatz hinter Gittern

Klaus Deuse
9. Juni 2023

Der Online-Shop der nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalten bietet 1500 Produkte vom Schaukelelefanten aus Holz bis zur Gartenbank aus Edelstahl. Möglich sind auch Sonderanfertigungen auf Kundenwunsch.

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Deutschland | Arbeitsstellen in Justizvollzugsanstalten von NRW
Holzzuschnitt n einer Gefängnistischlerei - Häftlinge sind auf unseren Bildern nicht zu erkennenBild: Justiz NRW

Vom Nistkasten in Form einer echt anmutenden Kuckucksuhr samt hängenden Tannenzapfen für 17,60 Euro über farbige Filzpantoffel der Serie "Ferdi" für 21 Euro bis hin zu einem klassischen Aktentransportwagen zum Preis ab 365 Euro reicht das breit gestreute Sortiment eines Online-Händlers der besonderen Art.

Beliefert wird dieser Händler unter dem Dach des nordrhein-westfälischen Justizministeriums von verschiedenen "Betrieben", und zwar von 28 der insgesamt 35 Justizvollzugsanstalten in NRW. Dementsprechend sinnfällig heißt der Online-Shop auch Knastladen.de. Mit über 1500 Produkten im Programm bringt es der Knastladen auf einen Jahresumsatz von rund elf Millionen Euro.

Ein Ergebnis, das sich für einen Landesbetrieb wirtschaftlich sehen lassen kann. Bei übrigens stetig steigender Nachfrage. Im Durchschnitt, sagt Maurits Steinebach, der Sprecher der NRW-Landesjustizvollzugsdirektion, "werden im Monat über 3000 Artikel beim Knastladen bestellt."

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Reparatur und Neuherstellung von Textilien - eine der vielen Tätigkeiten für Knastladen.deBild: Justiz NRW

Co-Produktion von Häftlingen und Wärtern

Für Maurits Steinebach geht es dabei aber auch um das erklärte Ziel des Justizvollzugs, "die Fähigkeiten der Gefangenen für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung durch Aus- und Weiterbildung zu vermitteln und zu fördern." So lernen die Gefangenen in der Arbeitstherapie die gemeinsame Planung sowie den handwerklichen Umgang mit verschiedenen Werkstoffen, Werkzeugen und Maschinen. Das spiegelt sich auch in dem vielfältigen Sortiment wider, denn die Produkte werden, so Steinebach, "grundsätzlich von den Gefangenen und den Bediensteten entwickelt."

So steuert etwa die Justizvollzugsanstalt (JVA) Willich einen Schaukelelefanten namens Fridolin aus Holz für 93 Euro bei, während sich Häftlinge in der Werkstatt der JVA Remscheid offenbar auf den Werkstoff Edelstahl fokussiert haben. Zum Beispiel in Gestalt einer Gartenbank aus Edelstahl mit Lehne für 790 Euro oder einem Edelstahlgrill für 620 Euro. Keineswegs preisliche Schnäppchen, trotzdem wurde die Gartenbank über 100mal verkauft. Als Verkaufsschlager entpuppte sich auch ein Turnierkicker-Tisch für 498 Euro. Dieser zwischenzeitlich ausverkaufte Kicker wird nun aufgrund der großen Nachfrage nachproduziert.

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Gedeihliche Zusammenarbeit: Justizbeamter und Häftling vor einer MaschinensteuerungBild: Justiz NRW

Im Knastladen laufen die Fäden zusammen

Gerade sind, pünktlich zum Beginn der Gartensaison, Produkte aus der Kategorie Grill gefragt. Von der Grillzange mit NRW-Logo für 16 Euro über Schürzen für feurige Grillmeister aus "Original Knast-Stoff"" bis hin zum Schwenkgrill für 370 Euro. Auf den Bestelllisten ganz oben stehen außerdem diverse Insektenhotels, Vogelfutterhäuschen und andere tierische Artikel. Zum Beispiel mit dem Modell "Villa Wutz" ein Häuschen für Meerschweinchen zum Preis von 24,90 Euro sowie - ebenfalls für Meerschweinchen - das mit 32,50 Euro etwas teurere Modell "Texasscheune".

Nicht zu vergessen: ein Fledermauskasten mit NRW-Logo für 15 Euro. Derzeit nicht erhältlich, weil schlicht ausverkauft, ist das Hundespielzeug Multi für 21,50 Euro. Dabei handelt es sich um eine Art Lernspielzeug zum Training der Geschicklichkeit des Vierbeiners. Aber auch in diesem Fall läuft die Nachproduktion bereits auf vollen Touren.

Ob eine Müllbox aus Edelstahl ab 1500 Euro aufwärts, ein Schlauchhalter aus Metall für 49,90 Euro oder ein Deutschland-Puzzle aus Holz für 12,50 Euro bestellt wird - die Fäden hinter den Kulissen des Knastladens laufen bei der Verfahrenspflegestelle mit Sitz in der Justizvollzugsanstalt in Castrop-Rauxel zusammen. Von hier aus werden die Geschäfte und die Logistik gesteuert.

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Die Mitarbeiter/Häftlinge sind auf unseren Bildern nicht zu erkennen - hier eine Werkstatt für MetallverarbeitungBild: Justiz NRW

Sonderwünsche? Kein Problem!

Die handwerklich kompetenten "Mitarbeiter", die in den Justizvollzugsanstalten eine Strafe zu verbüßen haben, legen übrigens auch für besondere Kundenwünsche Hand an, sagt Maurits Steinebach. "Sonderanfertigungen jeglicher Art können per E-Mail unter service@knastladen.de angefragt werden. Etwa für Möbel nach Wunschmaß für die eigenen vier Wände." Was es nicht auf Maß auf der Online-Plattform gibt, versuchen die Macher des Knastladens individuell möglich zu machen.

Das Geschäft läuft überaus zufriedenstellend. Auch weil Knastladen.de abseits der Webseite auf Fachmessen und öffentlichen Veranstaltungen neue Kunden gewinnen konnte. "Nach wie vor die beste Werbung sind darum vor allem die zahlreichen zufriedenen Kunden."

Aber auch viele Gefangene, ergänzt Steinebach, erfahren durch den Verkauf der von ihnen gefertigten Produkte eine Anerkennung ihrer Leistung. Die Höhe der Vergütung für Gefangene in Nordrhein-Westfalen hängt aber nicht davon ab, ob sie für den Knastladen tätig sind. "Die Höhe des Arbeitsentgeltes wird nach der Leistung der Gefangenen und der Art der Tätigkeit eingestuft. In der mittleren Vergütungsstufe kann ein Gefangener einen monatlichen Grundlohn von rund 300 Euro erzielen."

Ganz gleich ob sie in der JVA Bochum das Notizbuch "Premium" aus Echtleder für 35 Euro fabrizieren oder in der JVA Attendorn schon jetzt die "Drei Könige-Karte" mit der Botschaft "Frohe Weihnachten" für fünf Euro drucken. Innerhalb der Gefängnismauern gelten nun einmal nicht die Regeln der freien Marktwirtschaft. Aber auch auf diese Regeln kann man die zeitweilig inhaftierten Mitarbeiter noch vor ihrer Entlassung vorbereiten.